Bundestag beschließt "Ehe für Alle"

Am 30. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag das Bürgerliche Gesetzbuch geändert: Zukünftig dürfen nun auch homosexuelle Paare im Sinne des Gesetzes heiraten. Hierfür setzte sich der Wahlkreisabgeordnete von Tempelhof-Schöneberg, Dr. Jan-Marco Luczak, viele Jahre auch im Bundestag ein. Stellvertretend für die Befürworter innerhalb der CDU/CSU-Fraktion sprach er dazu im Plenum.
Die Rede im Bild sehen und hören Sie HIER.

Mitschrift der Rede

Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf den Tribünen!

Mit dem heutigen Tag findet eine Debatte ihren Schlusspunkt, in der höchst kontrovers gestritten, in der leidenschaftlich gerungen wurde und in der die Emotionen das eine oder andere Mal auch wirklich hochgingen, auch und gerade in meiner eigenen Partei. Ich fand dabei immer wichtig - das ist heute schon betont worden -, dass wir die Meinungsunterschiede hart in der Sache, aber immer mit gegenseitigem Respekt für die Sichtweise des jeweils anderen ausgetragen haben. Nicht jeder, der heute nicht für die Öffnung der Ehe stimmt, ist damit gleich homophob. Deswegen wünsche ich mir, dass wir nicht herausgehen und schauen, wer heute wie abgestimmt hat, um es uns dann gegenseitig im Wahlkampf vorzuwerfen. Bei der Gleichstellung geht es vielmehr um Toleranz und Respekt. Ich finde, wir alle sollten sie auch denjenigen gewähren, die nicht unserer Meinung sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Richtig ist: Die Debatte hat lange gedauert - sehr lange. Aber vielleicht hat die Länge dieser Debatte auch etwas Gutes; denn manche gesellschaftliche Veränderung benötigt Zeit, wenn sie akzeptiert werden soll. Das zeigt zum Beispiel ein Blick nach Spanien, das zeigt ein Blick nach Frankreich, wo die Gleichstellung mit knappen Mehrheiten, aber dafür sehr schnell umgesetzt wurde.
Manche Menschen haben sich dadurch überfordert gefühlt. Sie sind zu Millionen auf die Straße gegangen und haben dagegen demonstriert. Das ist in Deutschland glücklicherweise nicht der Fall. Heute sagen uns Umfragen, dass 82 Prozent der Menschen für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sind. Deswegen sage ich: Der Zeitpunkt für die Öffnung der Ehe ist heute da.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe in der ganzen Zeit manchmal das Gefühl gehabt, dass aus dem Blick geraten ist, worum es bei der Ehe im Kern geht. Für mich ist die Ehe der wunderbare Liebesbeweis von zwei Menschen, die in guten und schlechten Zeiten füreinander einstehen wollen - bis dass der Tod sie scheidet. Zwei Menschen sind bereit, Verantwortung füreinander zu übernehmen. Es geht um Treue; es geht um Beständigkeit; es geht um Verlässlichkeit. All dies sind zutiefst konservative Werte, die Anerkennung, die Respekt verdienen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich kann nicht erkennen, wieso das Geschlecht hierbei einen Unterschied machen soll.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin für die Öffnung der Ehe, aber nicht, obwohl ich Christdemokrat bin, sondern gerade weil ich Christdemokrat bin: Es geht um konservative, bürgerliche Werte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn nun demgegenüber argumentiert wird, gleichgeschlechtliche Ehen seien ein Angriff auf Familien, so möchte ich entgegnen: Es wird nicht ein einziges Kind weniger geboren und es wird nicht eine einzige Ehe zwischen Heterosexuellen weniger geschlossen, nur weil es zukünftig auch Schwulen und Lesben erlaubt ist, zu heiraten. Den einen wird nichts genommen, nur weil den anderen etwas ermöglicht wird.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Genau so sieht es auch die Evangelische Kirche in Deutschland. Sie hat gerade noch einmal betont:
Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird dadurch keineswegs geschmälert. Im Gegenteil - sie wird noch einmal unterstrichen.
Ich finde das richtig. Es wäre doch absurd, die Ehe dadurch schützen zu wollen, dass man Menschen ausschließt, zu heiraten. Das passt doch nicht zusammen.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Nun stellt sich natürlich die Frage: Brauchen wir dazu eine Änderung unserer Verfassung? Ich persönlich glaube, das ist nicht der Fall. Wenn wir uns den verfassungsrechtlichen Ehebegriff in Artikel 6 Absatz 1 unseres Grundgesetzes anschauen, und zwar in der Diktion der Rechtsprechung unseres Bundesverfassungsgerichts, dann stellen wir fest, dass dieser Begriff offen ist. Er muss in den zeitgeschichtlichen Kontext eingebettet werden. Er muss mit Blick auf einfachgesetzliche Regelungen und mit Blick auf die gesellschaftlichen Anschauungen interpretiert werden.
Das Verständnis der Ehe, meine Damen und Herren, hat sich in den letzten Jahren fundamental gewandelt. Früher durfte es keine Ehe zwischen Adligen und Bürgerlichen geben. Früher durfte es auch keine Ehe zwischen Katholiken und Protestanten geben. Früher konnte der Ehemann seiner Ehefrau das Arbeitsverhältnis kündigen, ohne diese zu fragen.
Heute haben wir das Lebenspartnerschaftsgesetz eingeführt. Heute sind diskriminierende Regelungen abgeschafft worden. Heute sind gleichgeschlechtliche Paare selbstverständlicher Teil unserer gesellschaftlichen Realität. Und heute wird auch sprachlich nicht mehr differenziert, ob jemand verpartnert oder verheiratet ist.
Deswegen glaube ich, dass die Politik an diesen Veränderungen nicht vorbeigehen kann. Ich glaube: Auch die Auslegung unserer Verfassung kann daran nicht vorbeigehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb möchte ich zum Schluss betonen: Wenn wir heute die Öffnung der Ehe beschließen, setzen wir damit ein Stück bürgerliche und konservative Politik um. Deswegen sage ich auch insbesondere an meine eigene Fraktion gerichtet, gerichtet an diejenigen, die noch mit sich ringen, die noch Zweifel haben, wie sie heute abstimmen wollen: Gebt euch einen Ruck!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind schon immer diejenigen gewesen, die neue Entwicklungen mit tradierten Werten zusammenbringen. Ich bin überzeugt: Wir können heute nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Unionsparteien ein wichtiges Zeichen für eine moderne, für eine tolerante, aber eben auch für eine im besten Sinne wertkonservative Politik setzen.
Und deswegen werbe ich dafür, dass möglichst viele von euch heute bei dieser Abstimmung ein klares Ja zur Ehe sagen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Dr. Jan-Marco Luczak, Rede im Deutschen Bundestag zur Ehe für alle